Zwangsaufenthalt in Gransee

Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Theodor Fontane und Königin Luise haben eins gemeinsam: Beide verbrachten eine Nacht in Gransee – unfreiwillig. Beginnen wir mit dem Wanderer. Für die geplante Überarbeitung des ersten „Wanderungen“-Bandes wollte Fontane neue Orte aufnehmen. Hierzu gehörte Gransee – zu Fontanes Zeiten die „östlichste Stadt der Grafschaft Ruppin“ und heute im Landkreis Oberhavel gelegen. Für die Recherche brach Fontane 1873/74 erneut zu mehreren Stippvisiten in die Mark auf. Am 23. April 1874 blieb er in Gransee stecken.

Zwangsaufenthalt in der vielleicht festesten Stadt

„Heute Mittag bin ich […] hier eingetroffen, in der Absicht meine Reise nach Ruppin fortzusetzen. Es ging aber weder Post noch Omnibus“, schrieb er seiner Frau Emilie aus „Klagemanns Hotel“, das sich in der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße befand. Fontane war über diesen Zwangsaufenthalt, der „12 Stunden“ andauerte, aber nicht unglücklich: „Mein Gransee-Kapitel hat nämlich verschiedene Lücken, die auszufüllen immer mein Wunsch war; dazu bot sich nun gegen Erwarten die Gelegenheit.“ Entsprechend reichhaltig ist Gransee in der dritten Auflage der „Grafschaft Ruppin“ von 1875 dann auch vertreten. Gransee, „vielleicht die festeste [Stadt] der Grafschaft“, erhielt viermal so viel Platz wie das „reizende“ Lindow, gleich nebenan. Neben dem „Warte-Berg“, dem Waldemar-Tor [Ruppiner Tor] und der Marienkirche beschreibt Fontane auch das berühmte Luisen-Denkmal.

„Und deshalb rührt es.“

Aussichtsreiche Stadt: Blick vom Ruppiner Tor auf die Rudolf-Breitscheid-Straße, im Hintergrund die Türme der St. Marienkirche, 2018. Quelle: Robert Rauh

Die Formen des Gedenkens an Königin Luise sind vielfältig und häufig nicht frei von Kitsch. „Das Luisen-Denkmal zu Gransee hält das rechte Maß: es spricht nur für sich und die Stadt und ist rein persönlich in dem Ausdruck seiner Trauer“, befindet Fontane. „Und deshalb rührt es.“ Das von Karl-Friedrich Schinkel geschaffene „Monument“ machte Gransee über die Ruppiner Grenzen bekannt. Dabei war die Begegnung zwischen der populären Königin und der märkischen Stadt ein Zufall der Geschichte. Nachdem die 34jährige Luise am 19. Juli 1810 überraschend im väterlichen Schloss zu Hohenzieritz gestorben war, wurde ihre Leiche sechs Tage später in glühender Sommerhitze nach Berlin überführt. Am 25. Juli traf der Leichenzug in Gransee ein, wo er eine Nacht Station machte.

Zur Erinnerung an die nächtliche Aufbahrung beantragte die Granseer Bürgerschaft bei Friedrich Wilhelm III. die Errichtung eines Denkmals. Der König genehmigte es, bewilligte aber keine Gelder. Daraufhin startete Landrat von Zieten aus Wustrau eine der erfolgreichsten Spendensammlungen des Ruppiner Landes. Mit 2000 Talern konnte der Kreis nun klotzen statt kleckern.

Fontane notiert einen anderen Standort

Die wichtigsten Eckdaten zum Denkmal hielt Fontane auf sechs Notizbuchseiten fest: Über einer kleinen Skizze vermerkte er ein Detail, das er nicht in den gedruckten Text übernahm: „Die Leiche stand hart an der Straße. Das Denkmal immer an dieser Stelle.“ Es wurde „zurückverlegt i. d. M.“. Zurückverlegt in die Mitte des Platzes – auf dem der Sarg aufgestellt und der zunächst in Luisen-Platz, später in Schinkelplatz umbenannt wurde.

Das am 19. Oktober 1811 eingeweihte „Monument“ überlebte – vermutlich dank Schinkel – alle Denkmalstürze des 20. Jahrhunderts und wurde 1995-97 mittels einer vollständigen Demontage aufwändig restauriert. Es rührt noch immer.

Die Leiche stand hart an der Straße.“ Fontanes Skizze im Notizbuch von 1873. Quelle: Digitale Notizbuchedition

Es rührt noch immer: Das Luisen-Denkmal auf dem heutigen Schinkelplatz, 2018. Quelle: Robert Rauh

Quelle:

Märkische Allgemeine Zeitung vom 29.6.2019 https://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Gransee/Wandern-nach-Fontanes-Notizen-Fontanes-Zwangsaufenthalt-in-Gransee2

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