Königin der Herzen

Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Denkmäler, Tempel, Obelisken und Büsten – die Formen des Gedenkens an die populäre Königin Luise sind vielfältig und häufig nicht frei von Kitsch. „Das Luisen-Denkmal zu Gransee hält das rechte Maß: es spricht nur für sich und die Stadt und ist rein persönlich in dem Ausdruck seiner Trauer“, befindet Fontane in den Wanderungen. „Und deshalb rührt es“. Das von Karl-Friedrich Schinkel geschaffene Monument machte Gransee über die Ruppiner Grenzen bekannt. Dabei war die Begegnung zwischen der preußischen Königin Luise von Preußen (1776–1810) und der märkischen Stadt ein Zufall der Geschichte. Nachdem die 34jährige Luise am 19. Juli 1810 überraschend im väterlichen Schloss zu Hohenzieritz gestorben war, wurde ihre Leiche sechs Tage später in glühender Sommerhitze über Gransee nach Berlin überführt. „In allen Ortschaften, welche von dem Zuge berührt wurden, wie auch in allen denen, welche bis auf eine Meile von der Landstraße entfernt lagen, wurde mit allen Glocken geläutet. So schritt man auf Gransee zu“, wo der Leichenzug am 25. Juli eintraf und über Nacht Station machte.

Aussichtsreiche Stadt: Blick vom Turm der St. Marienkirche, im Hintergrund der Geronsee, 2018.
Quelle: Robert Rauh

Auch Fontane blieb bei einem Besuch in Gransee über Nacht – allerdings unfreiwillig. Die Stadt, heute im Landkreis Oberhavel gelegen, gehörte zu den Orten, die der Wanderer in die 3. Auflage des ersten Wanderungen-Bandes (1875) neu aufnahm. Für die geplante Überarbeitung reiste Fontane wieder ins Ruppiner Land. Nach Gransee kam er im September 1873 sowie im Frühjahr 1874. Bei seinem zweiten Aufenthalt musste er unplanmäßig übernachten. „Heute Mittag bin ich […] hier eingetroffen, in der Absicht meine Reise nach Ruppin fortzusetzen. Es ging aber weder Post noch Omnibus“, schrieb er seiner Frau Emilie am 23. April 1874. Fontane war über diesen Zwangsaufenthalt, der „12 Stunden“ andauerte, nicht unglücklich: „Mein Gransee-Kapitel hat nämlich verschiedene Lücken, die auszufüllen immer mein Wunsch war; dazu bot sich nun gegen Erwarten die Gelegenheit“. Ob damit auch Informationen zum Luisen-Denkmal gemeint waren, „verrät“ er nicht.

Abb. Gransee_Postkarte_1901
Zufall der Geschichte: Die Königin und die Kleinstadt, Gruß aus Gransee, Postkarte, 1901.
Quelle: Archiv Rauh

Das Denkmal erhielt im „Gransee“-Kapitel ein eigenes Unterkapitel. Nirgendwo sonst in den Wanderungen räumt Fontane der berühmten Königin mehr Platz ein. Sie wird zwar in jedem Band mehrmals erwähnt, aber nicht porträtiert. Die wichtigsten Eckdaten zum Denkmal hielt Fontane auf sechs Notizbuchseiten fest: Über einer kleinen Skizze vermerkte er ein Detail, das er für die Beschreibung des Denkmals nicht in den gedruckten Text übernahm: „Die Leiche stand hart an der Straße. Das Denkmal immer an dieser Stelle.“ Es wurde „zurückverlegt i. d. M.“. Zurückverlegt in die Mitte des Platzes – auf dem der Sarg aufgestellt und der zunächst in Luisen-Platz, später in Schinkelplatz umbenannt wurde.

Fontane rührte es: Das Luisen-Denkmal, Postkarte mit einer kolorierten Lithografie aus dem 19. Jahrhundert.
Quelle: Archiv Amt Gransee und Gemeinden

Die Granseer Bürgerschaft hatte in Erinnerung an die nächtliche Aufbahrung der Königin bei Friedrich Wilhelm III. die Errichtung eines Denkmals beantragt. Der König genehmigte es, bewilligte aber keine Gelder. Daraufhin startete Landrat von Zieten aus Wustrau eine der erfolgreichsten Spendensammlungen des Ruppiner Landes. Mit 2000 Talern konnte der Kreis nun klotzen statt kleckern. Der umtriebige Landrat hatte Kontakte zur Königlichen

Preußischen Eisengießerei in Berlin, die ihn vermutlich an Schinkel vermittelte. Nachdem der König Schinkels Entwurf für ein gusseisernes Denkmal genehmigte, wurde es umgehend gebaut und am 19. Oktober 1811 eingeweiht. Es überlebte – vermutlich dank Schinkel – alle  Denkmalstürze des 20. Jahrhunderts und wurde 1995-97 mittels einer vollständigen Demontage aufwändig restauriert.

Abb. 4_Gransee_Luisen-Denkmal_Rauh_2018
Es rührt noch immer: Das Luisen-Denkmal auf dem heutigen Schinkelplatz, 2018. Quelle: Robert Rauh

 

Quelle:

Theodor Fontane, Wundersame Frauen. Weibliche Lebensbilder aus den «Wanderungen durch die Mark Brandenburg», hrsg. von Gabriele Radecke und Robert Rauh, Manesse Verlag, Zürich 2019, S. 85–87.

Titelbild:

Königin Luise von Preußen, Ölgemälde von Joseph Maria Grassi, 1802 (Ausschnitt)

Quelle: wikipedia.de

Literatur:

Theodor Fontane, Die Grafschaft Ruppin (Wanderungen durch die Mark Brandenburg), 3. Auflage, Verlag von Wilhelm Hertz, Berlin 1875.
Kapitel: «Gransee», Unterkapitel: «Das Luisen-Denkmal»

Theodor Fontane, Notizbücher. Digitale Edition, hrsg. von Gabriele Radecke. Göttingen 2015 ff.
https://fontane-nb.dariah. eu/index.html

Theodor und Emilie Fontane, Der Ehebriefwechsel. 144–1898. 3 Bände, hrsg. von Gotthard Erler unter Mitarbeit von Theres Erler, 2. Auflage, Berlin 1998.
Große Brandenburger Ausgabe

Günter de Bruyn, Preußens Luise, Siedler Verlag, Berlin 2001.

Robert Rauh, Fontanes Ruppiner Land, be.bra verlag, Berlin 2019.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert