Neues Buch: Fontanes Havelland

von Christina Tillmann, Kultur-Ressortleiterin der Märkischen Oderzeitung

Inzwischen sind sie als Team gut eingespielt und die Aufgabenverteilung ist auch klar: Robert Rauh ist der Mann fürs Entdecken, würde sich am liebsten gleich mit dem Spaten in die Büsche schlagen, auf der Suche zum Beispiel nach der Blauen Grotte im Schlosspark von Marquardt. Gabriele Radecke ist die Literaturwissenschaftlerin, die lieber erst mal in Fontanes Notizen nachliest, was der Autor der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ vor Ort sah und skizzierte. Meistens führt ihr Ansatz weiter als der seine.

Die Methode, mit Fontane, dessen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ und den dazugehörigen Notizen vor Ort zu recherchieren, hat das Forscherduo, inzwischen schon mehrfach erfolgreich verfolgt: „Fontanes Ruppiner Land“ und „Fontanes Frauen“ haben sie veröffentlicht, zuletzt auch ein Buch über „Fontanes Kriegsgefangenschaft“ in Frankreich. Als letztes Projekt haben sie eine Webseite www.fontane-online.de aufgelegt.

Verfallene Klöster und kahle Kirchen

Nun also „Fontanes Havelland“, nach dem dritten Band der Wanderungen, der 1873 erschien und mehr als die anderen Bände eine wahre Liebeserklärung ist. „Der Autor bekam an den Ufern und Seen der Havel alles geboten, was er für ein ideales Wanderungen-Menü brauchte: architektonisch gescheiterte Schlösser und lachende Dörfer, malerisch verfallene Klöster und kahle Kirchen, dunkle Grüfte und eine Geister-Grotte, gutmütige Seen und eigentümliche Landschaften, selbst eine Feeninsel“, heißt es im Vorwort. Und überall, das gilt für Fontane wie für das heute recherchierende Forscherpaar, trifft er auf Enthusiasten und Querköpfe, brandenburgische Individualisten und echte Originale. Die Ortsgeschichte, das ist vor allem auch immer eine Menschengeschichte.

Die Neuen Wanderungen fortgesetzt: Fontanes Havelland, 2023
Quelle: BeBra Verlag

Heute ein beliebter Drehort: Schloss Marquardt, 2022
Foto: Jonas Becker

Das geht schon in Marquardt los mit dem engagierten Heimatforscher Wolfgang Grittner, der stolz seine Erkenntnisse zum Erbbegräbnis der Familie Bischoffwerder präsentiert. Auch der Standort der Blauen Grotte, in der Kronprinz Friedrich Wilhelm spiritistischen Sitzungen beiwohnte, wird schließlich gefunden. Aber auch die glanzvollen Zeiten als Luxushotel Kempinski und die heutige Nutzung als Drehort, u.a. für „Spencer“ bekommen ihren Raum. Marquardt bot also nicht nur Fontane besonders reichen Stoff: „Schloss-, Park und Landschaftsbeschreibung, Historisches, Anekdotisches, Familienkram und Spukgeschichte. Mehr kann man am Ende nicht verlangen“, schrieb er an seinen Verleger Wilhelm Hertz. Auch die Autoren von heute werden hier reich fündig.

Das unbefriedigende Gegenstück ist Kloster Chorin, in einem Band über das „Havelland“ ohnehin ziemlich überraschend. Schon Fontane war nicht sehr begeistert von der von Karl Friedrich Schinkel wiederentdeckten und restaurierten Klosterruine. „Sang- und klanglose Öde“ diagnostiziert er, das Kloster gestatte „kein Verweilen“. Und auch die beiden neuzeitlichen Wanderer treffen es nicht viel besser: Ihre Recherchen fallen mitten in den immer noch ungeklärten Konflikt um Trägerschaft und Finanzierung des Klosterbezirks, zudem gestaltet es sich höchst schwierig, Klosterchefin Franziska Siedler persönlich anzutreffen. Am Ende reicht es gerade mal für ein Telefoninterview, und zu der Einsicht: „Im Dezember 2022 weist das Choriner Finanzierungsproblem endgültig Facetten eines Boulevard-Theaters auf“. Das Kapitel endet: „Ende offen“.

Eindrückliches Katte-Kapitel

So liest man sich von Ort zu Ort: nach Baumgartenbrück, wo der örtliche Gastronom nur schwarzen Kaffee serviert und mit Informationen über die reiche kulturelle Vergangenheit des Ausflugsorts sehr zurückhält, auf die Pfaueninsel, wo einst die Schauspielerin Rachel Felix open air auftrat, oder nach Werder, wo die beiden mitten in die Dreharbeiten zu „Miss Merkel“ platzen.

Er war nie hier!? Schloss Ribbeck mit Fontane-Installation, 2022
Foto: Robert Rauh

Wir besuchen mit ihnen in Uetz die tapferen Restauratoren des dortigen Fährhauses, Henry Sawade und Sabine Swientek, oder sind dabei, wenn in Wust Maria von Katte an ihren Vorfahren, den am 6. November 1730 hingerichteten Friedrich-Freund Hans Hermann von Katte erinnert. Die örtliche Katte-Gedenkfeier samt Besuchs der Gruft gestaltet sich zu einem der eindrücklichsten Kapitel. Mit einem humoristischen Ausflug nach Ribbeck endet das Havel-Tour – und der Leser möchte sich am liebsten sofort ins Auto setzen und selbst auf Erkundungstour gehen.

Gabriele Radecke/Robert Rauh: „Fontanes Havelland. Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, BeBra Verlag, 288 S., 26 Euro.

Das Buch wird am 26. April um 18 Uhr im Haus für Brandenburgisch-Preußische Geschichte in Potsdam vorgestellt. Bereits am 23. April gibt es auf Schloss Plaue eine Jubiläumsveranstaltung „150 Jahre Fontanes ,Havelland‘“ mit Udo Geiseler (Historischer Verein Brandenburg/H.), der auch das Nachwort geschrieben hat, und den beiden Autor:innen (ab 13.30 Uhr, Eintritt frei)

Quelle

Titelbild

  • Blick auf die Inselstadt Werder, 2022 / Foto: Jonas Becker

Literatur

  • Fontane, Theodor: Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg. Wilhelm Hertz, Berlin 1873.
  • Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. 3: Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg, hrsg. von Gotthard Erler und Rudolf Mingau, Große Brandenburger Ausgabe. 2. Aufl., Aufbau-Verlag, Berlin 1994.

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