Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.
Dass der große Friedrich im kleinen Barsikow war, wissen die Einwohner von Fontane. Der Ort wird erwähnt in einem Gespräch zwischen König und Amtmann Fromme, das in dem „Wanderungen“-Kapitel „Das Dosse-Bruch“ protokolliert ist. Fromme hatte 1779 den alten Fritz durch das Dosse-Bruch begleitet. Die Rollen sind amtsgerecht verteilt: Der König fragt und der Amtmann antwortet. Friedrich interessiert vor allem eines: „Wie heißt das Dorf hier vorn?“ Und: „Wem gehört`s?“. Als ihm in Barsikow der „Edelhof“ der Gutsbesitzerfamilie von Mütschefall gezeigt wurde, rief er aus: „Das sieht ja elend aus! – Hört einmal: den Leuten geht´s hier wohl nicht gut?“ Fromme bestätigt die königliche Annahme: „Recht schlecht, Ihro Majestät! Es ist die größte Armut.“ Über die Gründe berichtet Fromme nichts. Seine Majestät fragt auch nicht nach.
Der kurze Dialog über Barsikow wird auch zitiert auf der farbenfrohen Website des Ortes, der zu Wusterhausen/Dosse gehört und seine Online-Vorstellung mit einer bestechenden Ehrlichkeit eröffnet: „Barsikow gehört bestimmt nicht zu den schönsten Dörfern dieser Welt.“ Offenbar war unser Dorf auch zu Fontanes Zeiten nicht attraktiv, meint eine Ureinwohnerin, „sonst hätte er doch über uns geschrieben“. Die Frau irrt. Fontane nahm den Ort bei der Überarbeitung des ersten „Wanderungen“-Bandes 1865 in das neue Kapitel „Dörfer und Flecken im Lande Ruppin“ auf.
In dieser Kirche wirkte einer der wichtigsten Informanten Fontanes: Pfarrer Gottlieb Wilhelm Schinkel (1805-1884), ein Verwandter des berühmten Baumeisters (Foto: Robert Rauh)
Fontane war vermutlich nie in Barsikow
Allerdings hat Fontane – anders als Friedrich – das Dorf vermutlich nie betreten. Es existieren keine Reisenotizen über Barsikow und in den „Wanderungen“ keine Beschreibung des Ortes. Stattdessen weist Fontane in dem kurzen Abschnitt über Barsikow [Fontane schreibt Barsekow] lediglich auf zwei Schriften hin, aus denen er im Anhang ausführlich zitiert. Die zweite Schrift trägt den Titel „Ein Prozess im 16. Jahrhundert zwischen Barsekow und Reimer von Winterfeldt“ und wurde vom Barsikower Pfarrer Gottlieb Wilhelm Schinkel verfasst.
Im Jahr 1567 war den Barsikowern ihr Luch „streitig gemacht“ worden. Daraufhin hatten sich die umliegenden Gutsherrschaften „mit der Bauerngemeine zu gemeinschaftlichen Schritten“ vereinigt. Nach zwei Jahren endete der Prozess, der „bedeutende Kosten“ verursacht hatte, mit einer Teilung des „Barsekower Luchs“.
Die Angelegenheit war damit noch nicht ausgestanden. Im Anschluss an den „Kampf nach außen“ kam es nun zu „Streitigkeiten zwischen den Barsekowern selbst“. Auch sie endeten mit einem Vergleich.
Stellwerk am ehemaligen Bahnhof von Barsikow, der nicht einmal hundert Jahre (1902-1995) existierte (Foto: Robert Rauh)
Barsikow verschwand wieder aus den „Wanderungen“
Als der Prozessbericht in der zweiten Auflage der „Wanderungen“ 1865 erschienen war, schickte Fontane Schinkels Manuskript nach Barsikow zurück und erklärte dem Pfarrer, er habe eigentlich eine Überarbeitung vorgehabt, „ein Zurechtmachen, wohl oder übel, nach meiner Art“. Eine Reise nach Kopenhagen sei dazwischengekommen. „Eine dritte Auflage, wenn sie je erscheint, wird vieles gutzumachen haben“, versprach er Schinkel – und sich selbst. Die dritte Auflage erschien zehn Jahre später – ohne Barsikow. Das Dorf gehört wie Buskow und Bechlin zu Fontanes vergessenen Orten. Der Dialog zwischen König und Amtmann überlebte dagegen auch alle weiteren Überarbeitungen der „Wanderungen“.
Quelle:
Märkische Allgemeine Zeitung vom 18.5.2019; https://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Wusterhausen/Fontanes-vergessene-Orte-Der-Streit-ums-Luch-in-Barsikow