Unterm Strich von Rheinsberg: Zernikow

Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Die Randbemerkung ist kurz und enthält nur den Hinweis auf eine Zäsur. Was sich in Fontanes Notizbuch über Zernikow findet, ist überschaubar: Friedrich II. habe das Gut Zernikow, das er 1737 erworben hatte, „gleich nach 1740 an Fredersdorff“ verschenkt. Mehr erfährt man nicht. In seinen „Wanderungen“ widmet sich Fontane dagegen ausführlich dieser Zäsur der Gutsgeschichte. Und würdigt das Wirken von Michael Gabriel Fredersdorff (1708-1758), der zunächst Kammerdiener des Kronprinzen in Rheinsberg war und nach der Thronbesteigung Friedrichs für seine treuen Dienste mit dem Gut Zernikow belohnt wurde. Fredersdorff hätte, so Fontane, eine vernachlässigte Sandscholle vorgefunden und „ein wohlkultiviertes Gut“ hinterlassen. Auch für dessen Nachfolger, Freiherr von Labes, den Fredersdorffs Witwe Caroline Marie Elisabeth Daum 1760 heiratete, findet Fontane nur lobende Worte: Labes habe „viel zur Verschönerung des Guts“ beigetragen. Und Fontane? War er jemals in Zernikow?

Zernikow unterm Strich: Vermerk über Zernikow im Rheinsberg-Teil.
Quelle: Digitale Notizbuchedition

Der knappe Vermerk in seinem Notizbuch spricht eher dagegen. Die wenigen Zeilen befinden sich – etwas gequetscht – unter einem langen Strich, den Fontane am Ende seiner insgesamt elf Notizbuchseiten über Rheinsberg gezogen hat. Weil sie mit Tinte geschrieben wurden, ist davon auszugehen, dass der Zernikow-Vermerk unter die Bleistiftnotizen über Rheinsberg später ergänzt wurde. Offenbar handelt es sich um eine Arbeits- und keine Reisenotiz. Im Gegensatz zu anderen Orten, die der Wanderer nachweislich besucht hat, gibt es zu Zernikow im Notizbuch keine Überschrift, keine Ortsbeschreibung und auch keine Skizze.

Dass Zernikow, heute im Landkreis Oberhavel gelegen, unter den Strich von Rheinsberg geriet, ist kein Zufall. Fontane legitimiert sein Interesse an dem Gut gleich zu Beginn des „Zernikow“-Kapitels in den „Wanderungen“. Das Gut sei „durch den Aufenthalt des Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg zu historischen Ansehn gelangt“. Hätte es Friedrich als Kronprinz nicht erworben und als König seinem Kammerdiener geschenkt, wäre Zernikow wahrscheinlich nicht in die „Wanderungen“ gelangt.

Wird von Fontane nicht beschrieben: das Gutshaus Zernikow, 2018.
Quelle: Robert Rauh

Fontane erwähnt die veröffentlichten Briefe Friedrichs an Fredersdorff und stellt einen Auszug als Motto dem „Zernikow“-Kapitel voran: „So heute Mittag die Sonne scheint, werde ich ausreiten; kom doch am Fenster, ich wollte dihr gerne sehn.“ Allerdings lässt sich der Dichter – wie bei Friedrichs Bruder Heinrich, der mit seinen Adjutanten homoerotische Beziehungen pflegte – zu keiner süffisanten Bemerkung über die enge Beziehung zwischen Herrscher und Diener hinreißen. Andere Zeitgenossen wurden da schon deutlicher: Friedrichs Oberhofbaurat Heinrich Ludwig Manger bezeichnete Fredersdorff 1789 als den „damaligen Kammerliebling des Königs“. Stattdessen beschreibt der Wanderer Fredersdorffs Leistungen in Zernikow: die Pflanzung von Maulbeerbäumen für den Seidenbau, der Bau einer Ziegelei und eines Brauereigebäudes.

In der „sehenswerten Kirche“: An der geschwungenen Orgelempore hängen die Porträts der Gutsbesitzer, rechts: Fredersdorff, 2018. Quelle: Robert Rauh

Abb.Wie im märkischen Märchenwald:
Baum aus der berühmten Maulbeerallee, 2018.
Quelle: Robert Rauh

Darüber hinaus erwähnt Fontane auch die „sehenswerte[n] Kirche“ und das „mit Geschmack und Munifizenz [Freigebigkeit] hergestellte Grabgewölbe“. Die detaillierte Beschreibung des „Frederdoffschen Erbbegräbnisses“ ist eher ein Indiz dafür, dass Fontane vielleicht doch in Zernikow war. Vor Ort ist das von geringerem Interesse. Zernikow punktet mit den Fredersdorffschen Maulbeerbäumen. Und Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Erhalt dieser einmaligen Gutsanlage einsetzen.

Quelle:

Märkische Allgemeine Zeitung vom 9.9.2019

https://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Wandern-nach-Fontanes-Notizen-Zernikow

Titelbild:

Vor der Kirche an der Straße gelegen: das von Fredersdorffs Witwe errichtete Erbbegräbnis. Quelle: Robert Rauh

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