Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.
„Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt habe“, schreibt Fontane im Vorwort seiner „Wanderungen“. Die kleinen Dörfer am Dosse-Ufer kann er nicht gemeint haben. „Die ganze Gegend“ sei „witwenhaft traurig und mit keinem andern Reize ausgestattet als dem einen, den ihr ebendies Witwenkleid leiht.“ Diese Beschreibung findet sich im Kapitel über Trieplatz, sieben Kilometer nördlich von Wusterhausen gelegen.
In Fontanes Notizbuch wird der poetische Schleier gelüftet und Klartext geschrieben: „Die Gegend höchst trübselig.“ Die Häuser seien „ärmlich und aus den Linden- und Kastanienreihen, die sich – zum Segen für unsre Dörfer – auch hier meist durch die Dorfstraße hinziehn, geben dem ganzen einen leidlichen malerischen Reiz.“ Für einen Ausflug nach Trieplatz muss der Interessierte also ganz besonders viel „Liebe zu Land und Leuten mitbringen“. Auch 150 Jahre später.
„Witwenhafte Traurigkeit“? – Weg zum Trieplatzer Friedhof, 2018.
Quelle: Robert Rauh
Hinter Wipfeln vergraben
Die Straße von Brunn nach Trieplatz ist offenbar eine autofreie Zone. Dafür ist die Natur in Bewegung. Über dem Asphalt flimmert an diesem heißen Augusttag die Luft, auf den abgeernteten Feldern tanzen die Staubwolken. Hier und da ein paar dichte Baumreihen. „So hinter Wipfeln vergraben liegt auch Trieplatz“, schreibt Fontane in den „Wanderungen“, der dem Dorf – aus Wusterhausen über Brunn kommend – am 17. September 1873 einen Besuch abstattete. Die Örtlichkeit wird nur im Notizbuch beschrieben: der „alte Hof“, dessen Grundriss noch heute zu erkennen ist, und das „neue [Guts-]Haus“, das noch existiert.
Tradierte Trinität: Ehemaliges Gutshaus in Trieplatz, 2018.
Quelle: Robert Rauh
In den „Wanderungen“ spielt der Ort dagegen keine Rolle. Trieplatz interessierte Fontane nur als Rohrsche Lokalität. Denn hier war seine langjährige Vertraute Mathilde von Rohr aufgewachsen. Das Kapitel sollte ihrer Familie gewidmet sein und erhielt später sogar einen entsprechenden Untertitel: „Ein Kapitel von den Rohrs.“ Die Hauptrolle spielt Georg Moritz von Rohr, „eine halb-komische Figur“, schrieb Fontane an Mathilde – dessen Enkelin. Dieser Rohr war ein Original nach Fontanes Geschmack. Und so schmückt der Dichter die beliebte Anekdote genüsslich aus: Immer wenn Georgs Ehefrau verstorben war (das passierte drei Mal), veranstaltete er eine „Brautwerbung“. Zu diesem Ritual gehörte auch der Besuch im benachbarten Tornow, wo „drei nicht mehr junge Cousinen“ lebten.
Dreigegliederte Einheit
In Trieplatz galten sie „bloß als eine dreigegliederte Einheit“. Ihr Unterschied lief auf „einen einzigen Buchstaben hinaus: Jettchen, Nettchen und Bettchen.“ Drei Mal hielt Georg nacheinander um die Hand der Cousinen an. Drei Mal gaben sie ihm einen Korb.
Jahrhundertealte Trinität: Guthaus von Trieplatz, ca. 1930.
Quelle: Fenske
Kurioserweise manifestiert sich diese Dreiteilung auch im Trieplatzer Gutshaus. Fontane hat es in seinem Notizbuch skizziert und vermerkt: An das ursprünglich kleine Haus habe „Hr. v. R[ohr] zwei Häuschen“ angebaut, „aber so, daß die Giebel in die Front kamen“. Das „Alt-Haus und die beiden Anbauten“ sind noch klar zu erkennen. Das ehemalige Gutshaus wird von drei Parteien bewohnt. Zwar stimmt die heutige besitzrechtliche Dreiteilung mit Fontanes historischer Baubeschreibung nicht überein, aber die tradierte Trinität ist erstaunlich.
Quelle:
Märkische Allgemeine Zeitung vom 10.8.2019