Potsdam sollte in die „Wanderungen“

von Gabriele Radecke und Robert Rauh

Potsdam sucht man im Havelland-Band vergeblich. Dass Fontane jedoch plante, die preußische Residenz aufzunehmen, belegen zwei Notizbücher. Das Notizbuch Havelland von 1869 (A15) enthält eine Gliederung mit 28 Kapiteln. Das umfangreichste ist Potsdam, wozu auch der Abschnitt „Die Garnisonkirche und Gruft“ gehört.

Dass Potsdam womöglich schon für den ersten Wanderungen-Band (1862) vorgesehen war, lassen Aufzeichnungen von 1861 unter der Überschrift „Potsdam. Garnisonkirche“ in einem weiteren Notizbuch (A 11) vermuten. Sie stützen sich auf einen Vortrag von Hofrat Louis Schneider. Zur Kirche notierte Fontane: Sie sei, „in Erwägung des sparsamen Monarchen, sehr prächtig.“

„Sehr prächtig“: Fontanes Beschreibung der Garnisonkirche (Notizbuch A11), 1861  Quelle: Digitale Notizbuchedition

Garnisonkirche Potsdam, Foto, 1920
Quelle: Architekturmuseum der TU Berlin, Inv.-Nr. F0518

Nur ein Auszug

Von dem Entwurf zu einem Potsdam-Kapitel, der 1989 auf einer Auktion der Firma Stargardt angeboten und nach der Versteigerung im Tresor einer Privatperson verschwand, ist nur ein Auszug bekannt. Schon der erste Satz setzt den Ton: „Potsdam, mehr als irgendein andrer Punkt, ist die Geburtsstätte des preußischen Staats“.

Und wofür in diesem Kontext die 1730–1735 errichtete Garnisonkirche steht, schreibt Fontane am Ende des Caputh-Kapitels: Sie sei „das Symbol des Jüngstgeborenen im alten Europa, des Militärstaats Preußen“. Unfreiwillig nimmt Fontane damit den Streit um den Wiederaufbau der 1945 ausgebrannten und von der DDR 1968 gesprengten Kirche vorweg, dessen 90 Meter hoher Turm 2024 eingeweiht werden soll.

Die Hüllen sind bereits gefallen: Rekonstruierter Turm der Garnisonkirche, Juli 2023
Foto: Robert Rauh

Im Stil des Frühklassizismus

Auch das Marmorpalais sollte – wie die Gliederung von 1869 für ein Potsdam-Kapitel im Havelland-Band beweist –  ursprünglich in den Wanderungen erscheinen. Neben dem „Marmor Palais“ wollte er auch andere kulturhistorische Highlights der preußischen Residenz wie Sanssouci vorstellen.

Ein postum publizierter Auszug aus dem Entwurf des Potsdam-Kapitels gibt Aufschluss über das Konzept für die Auswahl: „Alle Hohenzollern haben an Potsdam gebaut, und jeder hat ein etwas zurückgelassen, das besonders charakteristisch für ihn oder für seine Zeit ist“.

Friedrich Wilhelm II. hat das 1787–1793 errichtete Marmorpalais „zurückgelassen“. Und als „besonders charakteristisch“ könnte gelten, dass es das erste und einzige Hohenzollern-Schloss im Stil des Frühklassizismus ist.

Marmorpalais Potsdam, Lithographie, 1811
Quelle: Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Foto: Michael Lüder

Fontane besuchte das mit schlesischem Marmor verkleidete Bauwerk vermutlich 1861 oder 1862. Im Notizbuch finden sich eine Gebäudeskizze von der Wasserseite und nur wenige Stichpunkte über das Inventar und den Garten. Warum sich Fontane letztendlich gegen ein Potsdam-Kapitel entschieden hat, ist nicht bekannt.

Marmorpalais, Fontanes Skizze (Notizbuch A3), 1861 
Quelle: Digitale Notizbuchedition

 Quelle

  • FONTANE ON TOUR. Skizzen und Notizen aus dem Havelland. Ausstellung in der Kulturkirche Petzow (Juni/Juli 2023), kuratiert von Gabriele Radecke und Robert Rauh; Projektleitung: Doris Patzer (Landkreis Potsdam-Mittelmark)

Titelbild

  • Marmorpalais, 2022 / Foto: Wolfgang Lorenz

Literatur

Weblinks

 

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