Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.
Fontane und Neuruppin: Über die Beziehung zwischen dem Dichter und die märkische Metropole scheint eigentlich alles gesagt. Der Dichter wurde hier vor 200 Jahren geboren, kehrte für kurze Zeit als Schüler zurück (1832/33) und widmete Neuruppin in den „Wanderungen“ ein umfangreiches Kapitel, in dem er mit der „kleine[n] Provinzialstadt“ hart ins Gericht geht: Sie gleiche „einem auf Auswuchs gemachten großen Staatsrock, in den sich der Betreffende, weil er von Natur klein ist, nie hineinwachsen kann“. Dadurch entstehe „eine Öde und Leere, die zuletzt den Eindruck der Langenweile macht“. Es spricht für die Souveränität der Neuruppiner, dass sie ihrem undankbaren Sohn 1907 ein Denkmal gesetzt und zum 200. Geburtstag eine flippige Ausstellung geschenkt haben.
Er blickt nicht auf die Neuruppiner herab, er schaut aus ihrer Stadt hinaus:
Fontane-Denkmal in Neuruppin, 2018
Quelle: Robert Rauh
Aber Fontane fand nicht alles langweilig in Neuruppin. Das „Zietenmuseum“ des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (heute: Altes Gymnasium) sei beispielsweise „ein Schatz“. Es „entstand aus einer reichhaltigen Sammlung naturhistorischer, ethnographischer, namentlich aber vaterländischer Altertümer“, die vom Landrat Friedrich von Zieten angelegt und 1844 der Stadt Neuruppin „nach testamentlicher Verfügung“ vermacht worden war. Die sehenswerte Schau wurde anlässlich „der fünfhundertjährigen Jubelfeier“ des Gymnasiums 1865 erstmals öffentlich präsentiert. Heute gilt die Zieten-Sammlung, die den Grundstock des Neuruppiner Museums bildet, als eine der ältesten Brandenburgs.
„Prachtstück“ der Zieten-Sammlung: Bronzewagen nach Fontanes Skizze von 1873.
Quelle: Digitale Notizbuchedition
Bonzewagen, Exponat der berühmten Zieten-Sammlung.
Quelle: Museum Neuruppin
Fontane widmet dem Zietenmuseum in seinem ersten „Wanderungen“-Band ein eigenes Unterkapitel („Civibus aevi futuri“) – seit der dritten Auflage von 1875. Wann war der Wanderer jedoch vor Ort? Über den Museumsbesuch informieren weder Fontanes Briefe noch seine Tagebücher, sondern seine Notizbücher. Aus ihnen geht hervor, dass er das Museum auf seiner Ruppin-Reise im September 1873 besichtigte, als er für die dritte Auflage in mehreren Orten recherchierte. Unter der Überschrift „Ruppiner Museum“ hinterließ er immerhin 15 Notizbuchseiten. Sie enthalten auch drei Zeichnungen – von drei Exponaten, die später in den „Wanderungen“ ausführlich beschrieben werden.
Eine Skizze zeigt den bronzenen „dreirädrige[n] Thors- oder Odinswagen“, eine zweite den 1787 entstandenen Kupferstich von Daniel Chodowiecki: „Allegorie auf die Einäscherung Ruppins“.
„Höchst originell“: Fontanes Skizze (1873) vom Kupferstich Daniel Chodowieckis.
Quelle: Digitale Notizbuchedition
Daniel Chodowiecki: „Allegorie auf die Einäscherung Ruppins“, Kupferstich von 1787.
Quelle: Klaus-Peter Möller
Fontanes Zeichnungen, als Gedächtnisstütze für den Schreibprozess, sind von unterschiedlicher Qualität: Während der Bronzewagen sehr detailliert nach dem Original abgezeichnet wurde, ist der Kupferstich nur schematisch angedeutet. So ist die „abgebrannte Ruppina“ auf ein fontanistisches Rechteck reduziert. Daneben kommentiert Fontane süffisant: „Ruppin (sehr stramm) liegt nackt am Boden in der Asche, also warm.“ Das Bild hat den Dichter ästhetisch nicht überzeugt: „Höchst sinnreich, höchst unterhaltsam, höchst originell, auch gewiß vorzüglich gemacht, alles wirkt aber doch komisch, […] und stimmt nur zum Lachen, nicht aber zur Theilnahme.“ Dieses Urteil gelangt, wenn auch etwas abgeschwächt, dann auch in die „Wanderungen“. Es lohnt sich, Fontane mal wieder im Original zu lesen.
Strahlt auch solo: Altes Gymnasium Neuruppin, 2019
Quelle: Robert Rauh
Quelle:
Märkische Allgemeine Zeitung vom 8.10.2019
Titelbild:
Ort des Zieten-Museums: Altes Gymnasium am Neuruppiner Schulplatz. Im Hintergrund: Klosterkirche und Ruppiner See, 2017
Quelle: Marko Petruschke