Nicht viel Poesie in Tramnitz

Veröffentlicht von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Die Straße nach Tramnitz „hat denselben Einsamkeitscharakter“ wie der Weg nach Trieplatz. „Die Dosse-Ufer sind eben von einer ganz besonderen Tristheit“, wusste schon Fontane, der Tramnitz am 17. September 1873 aufsuchte. Das Dorf ist der nordwestlichste Zipfel der Fontane-Ortschaften aus dem ersten „Wanderungen“-Band. Mit seinen etwa 50 Einwohnern ist es auch das kleinste.

Fontanisten werden jedoch nicht enttäuscht. Tramnitz besitzt zwar keinen See wie das benachbarte Bantikow, keine Kneipe wie Brunn und keinen Zusammenhalt wie in Trieplatz, aber eine Fontanestraße – und äußerst freundliche Einwohner, die sich für ihre Geschichte interessieren. Für ein Dorf, das 1238 erstmals erwähnt wurde, und mit einem Gedenkstein in der Dorfmitte an keine Götter oder Herren erinnert, sondern an bislang vier groß gefeierte Orts-Jubiläen. Den Stein, ein knapp zwei Tonnen schwerer Findling, hat Rolf Schmidt für die 750-Jahr-Feier 1988 in Auftrag gegeben.

Sein Haus liegt einen Steinwurf entfernt – hinter dem ehemaligen Gutshaus derer von Rohr.

Fontane attestiert dem Platz „eine wahre Mausoleumseinsamkeit“. Der Eindruck lässt sich auch nach 150 Jahren nicht leugnen. Diese Einsamkeit wird nun durch einen großen, grasbewachsenen Erdhügel erzeugt. Darunter begraben ist der Schutt des längst abgerissenen Gutshauses.

Nicht für Götter und Herren, sondern für vier Dorfjubiläen: Gedenkstein in Tramnitz.
Quelle: Robert Rauh

Ob Fontane bei seinem Besuch in dem damals „leerstehenden Herrenhause“ war, ist unwahrscheinlich. Es findet in seinem Notizbuch keine Erwähnung. Und in den „Wanderungen“ erzählt er, „das Leben habe sich in ein abseits gelegenes einfaches Fachwerkhaus zurückgezogen“, in dem Fontane „von einer freundlichen alten Dame begrüßt und an einem mit Meißner Tassen besetzten Kaffeetisch geführt“ wurde. Bei der Dame handelte es sich um „Tante Wilhelmine“ von Rohr, eine Tante Mathilde von Rohrs. Sie verwaltete „neben andrem, auch den Anekdotenschatz des Hauses“. So soll Kronprinz Friedrich bei seinem Besuch 1733 den Kaffee aus Mangel an Aroma aus dem Fenster gekippt haben. Was bei den Vorfahren für Empörung sorgte.

Blick auf das Gut Tramnitz, Ende der 1940er Jahre. In der Mitte das Herrenhaus und am linken Bildrand ein weiteres Fachwerkhaus, in dem Fontane vermutlich Kaffee getrunken hat.
Quelle: G. Fenske/Regionalverlag Ruppin

Bei Schmidts gibt’s keine Anekdoten, sondern Fakten – und guten Kaffee. 1979 wurde das Gutshaus abgerissen. Das Haus, in dem sich zu DDR-Zeiten zwei Kultursäle befanden und sogar Kinofilme gezeigt wurden, sei einfach verfallen. Damals habe man nichts für Werterhaltung getan, sagt Rolf Schmidt.

Blick auf das ehemalige Gut heute, 2018. Im Hintergrund der Hügel, unter dem die Reste des Herrenhauses liegen; und hinter dem Hügel das Haus von Familie Schmidt.
Quelle: Robert Rauh

„wie im Urwald“: Fontanes Notizbuchseite über den „Alten Kirchhof“ in Tramnitz vom 18. September 1873.
Quelle: Digitale Notizbuchedition

Fontane interessierte sich für den „alten Kirchhof“, der auf der anderen Seite des Jubiläums-Steins lag. „Wie im Urwald“ sähe es hier aus, vermerkt der Dichter in seinem Notizbuch. Fontane entdeckte nur noch zwei Denkmäler „wohlerhalten im Gebüsch“. Heute sind auch diese verschwunden. An dem einen, ein Obelisk aus Sandstein, seien die Dorfkinder nach dem Krieg noch hochgeklettert, erinnert sich Frau Schmidt.

In den „Wanderungen“ geht Fontane mit Tramnitz hart ins Gericht: Der „alte Kirchhof“ sei „das Poetischste, was Tramnitz aufzuweisen hat“. Der neue Friedhof reiche dagegen an den alten „nicht heran“ und die neue Kirche gleiche einer „Fachwerkscheune, der man ein halbes Dutzend Fenster gegeben hat“. Es spricht für die Souveränität der Tramnitzer, dass sie die Straße, in der sich die Kirche befindet, nach Fontane benannt haben.

„Gleicht einer Fachwerkscheune“: Kirche in Tramnitz. Quelle: Robert Rauh

Quelle:

Märkische Allgemeine Zeitung vom 19.8.2019

https://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Wusterhausen/Wandern-nach-Fontanes-Notizen-Tramnitz

Titelbild: Es spricht für die Souveränität der Tramnitzer: Fontanestraße in Tramnitz. Quelle: Robert Rauh

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