Fontanes Karwe

Lage

Ortsteil der Kreisstadt Neuruppin

Landkreis Ostprignitz-Ruppin

Erster Besuch Fontanes

1859

Aufzeichnungen im Notizbuch

A 1 [1864]

Erstdruck in einem Journal

1861

Erstveröffentlichung in den „Wanderungen“

1. Auflage 1862

Karwe und der Ruppiner See (im Hintergrund am Seeufer das ehemalige Gut Knesebeck) / Foto: Peter Petruschke, 2017

Was Fontane in seiner „Grafschaft Ruppin“ über Karwe schrieb …

Das Karwe-Kapitel ist zweigeteilt. Karwe I eröffnet Fontane mit einer Schlacht zwischen zwei Ruppiner Seemächten. An der Spitze ihrer Flotten standen zwei tüchtige Kerle mit berühmten Familien-Namen: der 17-jährige Karl Friedrich von dem Knesebeck (1768-1848), der spätere Generalfeldmarschall, und der zwei Jahre ältere Friedrich Graf von Zieten (1765-1854), der Sohn des alten Zieten (vgl. Kapitel Wustrau). Die Eltern nahmen Anteil, und die gegnerischen Dörfer gerieten in Aufregung. Während die Söhne Mannschaften bildeten, indem sie Einladungen an befreundete Offiziere sandten, verwandelten sich die Herrenhäuser von Karwe und Wustrau in Kriegslaboratorien, drin allerhand Feuerwerk, Schwärmer, Raketen und Feuerräder in möglichster Eile hergestellt wurden. Am folgenden Abend begann das Spektakel. Mit dem Glockenschlage neun liefen beide Flotten aus, jede sechs Kähne stark, das Admiralboot vorauf. Die Knesebecker sollten angreifen und dann von den Wustrauern in ihren Schilfwald zurückgeworfen werden. Die beiden Kriegskapitäne hatten die Rechnung aber ohne eine Fischerflotte gemacht, die von einem Offizier für die Karweschen angeheuert und im Schilf versteckt worden war – jedes Boot mit einer Laterne hoch am Mast. In langer Linie kamen sie aus dem Schilf hervor und legten sich quer vor. Das Laternenlicht war hell genug, die Fischergestalten zu zeigen, wie sie da standen mit vorgehaltenem Ruder, bereit, jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Die Wustrauer Verlierer machten gute Miene zum bösen Spiel und sprangen lachend ans Ufer. Nie wurden Gefangene schmeichelhafter begrüßt. Als sie in den Wustrauer Park traten, sahen sie dicht vor dem Herrenhaus eine Ehrenpforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterschrift: „Voilà notre modèle.“. 

Die Seeschlacht als Brunnenskulptur des Karwer Künstlers Matthias Zágon Hohl-Stein / Foto: Robert Rauh

Im Anschluss an die Schlachtberichterstattung wechselt Fontane in seine Gegenwart und berichtet von seinem Besuch vor Ort. Er schipperte über den Ruppiner See, sprang in Karwe ans Ufer, durchschritt den Park und besichtigte schließlich das Herrenhaus – also auch in Karwe das gewohnte Wanderer-Programm. Ins Schwärmen geriet Fontane nur beim alten Feldmarschall von dem Knesebeck (1768-1848). Dieser ausgezeichnete Mann werde, kündigt er gleich zu Beginn an, überhaupt den Mittelpunkt alles dessen bilden, was ich in weiterem zu erzählen habe, da er, wie der Hauptträger des Ruhmes der Familie, so auch zugleich derjenige ist, der am segensreichsten an dieser Stelle gewirkt und den toten Dingen entweder den Stempel seines Geistes aufgedrückt oder ihnen durch irgendeine Beziehung zu seiner Person zu einem poetischen Leben verholfen hat.

Erinnert Fontane in Form und Farbenton an das Radziwillsche Palais in Berlin: Schloss Karwe, um 1878 / Quelle: Sammlung Alexander Duncker

Zu den Geschichten vom alten Knesebeck gehört auch dessen Rolle im Napoleonischen Krieg. Ein Exponat dieser Story stand im Schlosshof: der historische Kaleschwagen, in dem 1812 der damalige Oberst von Knesebeck die berühmte Reise nach Petersburg antrat, um dem Kaiser Alexander zuzurufen: »Krieg und wieder Krieg! Die Quadratmeilen Rußlands sind die Rettung Europas«

In Karwe II schildert Fontane Eine Revue vorm alten Fritz, die in einem kurzen Dialog zwischen dem späteren Feldmarschall Knesebeck und Friedrich II. gipfelt, in dem der siebzigjährige königliche Greis Knesebecks Vater grüßen lässt. Am Ende präsentiert Fontane den Feldmarschall als Lyriker und zitiert dessen Gedicht „Lob des Krieges“ in voller Länge. So lässt Fontane, der ansonsten nicht davor zurückschreckt, die Dichtkunst anderer mit Häme zu überziehen, sein Karwe-Kapitel unkommentiert mit der Knesebeck’schen Lyrik ausklingen: „[…] Zur Schlacht, zur Schlacht! / Wir alle lernten sterben / Für Vaterland und Pflicht.“

Karwe

Was Sie in „Fontanes Ruppiner Land“ über Karwe erwartet … 

Im Mittelpunkt stehen nicht der Ruppiner See, dessen besonderer Schmuck noch immer sein Schilfgürtel ist, nicht der ziemlich groß angelegt[en] Park, der mit vielem Geschmack in einem einfach edlen Stile erst jüngst wieder hergerichtet wurde, nicht das Herrenhause, das 1983 abgerissen wurde, sondern die Geschichte(n) der Knesebecks nach Fontane, vor allem die Geschichte vom verlorenen Schloss.

Darüber hinaus werden drei außergewöhnliche Fontanisten porträtiert, die sich im Jubiläumsjahr des Dichters zusammenfanden, um im ehemaligen Pferdestall des Gutes eine bemerkenswerte Ausstellung zu kuratieren: der Unternehmer Krafft Freiherr von dem Knesebeck, der nach der Wiedervereinigung in das Dorf seiner Urahnen zurückkehrte, das er nur aus Erzählungen kannte, der Verleger Günter Rieger, der sich nach der Wende einen Traum erfüllte und seinen Verlag für lokalhistorische Literatur gründete, und die Editionswissenschaftlerin Gabriele Radecke, die über zehn Jahre Fontanes Notizbücher, darunter die bisher unbekannten Aufzeichnungen über Carwe, entziffert und kommentiert hat.

Pferdestall statt Schloss: Wohnhaus und Galerie (Ausstellung: „Fontane trifft Knesebeck“) der Familie von dem Knesebeck, 2019 / Foto: Robert Rauh

Die drei Experten präsentierten in Karwe Exponate, die Fontane in seinen Wanderungen beschrieben hat: zum Beispiel der alte Eichentischeinen Teil der langen Tafel, an der die Sitzungen des Tabakskollegiums gehalten wurden – die Kopie des Correggioschen Christuskopfes auf dem Schweißtuche der heiligen Veronika sowie ein großes gußeisernes Crucifix und zwei Altarleuchter, die ein gemeinschaftliches Geschenk Friedrich Wilhelms III. und des Kaisers Alexanders sind. Ausgestellt wurde zudem der Erstdruck des Karwe-Aufsatzes in der Preußischen (Kreuz-)Zeitung von 1861, den die Knesebecks in einer großen roten (Schatz-)Truhe aufbewahren.

Vor den „Wanderungen“: Erstdruck von Fontanes Carwe-Aufsatz in der Preußischen (Kreuz-)Zeitung von 1861 (Ausschnitt) / Foto: Robert Rauh

Außerdem erklärt Gabriele Radecke bei einer Bootstour über den Ruppiner See am Beispiel des Karwe-Kapitels, warum Fontanes Wanderungen ein work in progress sind. Dann wird auch klar, warum es Karwe I und Karwe II gibt.

Radeckes „Entdeckung“ auf einer Skizze des Karwer Friedhofs hatte Folgen, die über die Erscheinung des Buches hinausreichen. Die Grabstelle der Knesebecks war umsäumt von Linden, die Krafft von dem Knesebeck im Fontane-Jahr 2019 nachpflanzen ließ. Nur ein Jahr später fand der inzwischen verstorbene Knesebeck in dem wieder hergestellten Ensemble seine letzte Ruhe.

Kuratoren für Karwe: Krafft Freiherr von dem Knesebeck, Dr. Gabriele Radecke und Günter Rieger vor der Kopie des Correggioschen Christuskopfes auf dem Schweißtuche der heiligen Veronika bei der Vorbereitung der Ausstellung „Fontane trifft Knesebeck“ in der „Galerie im Pferdestall“, Karwe, 2018 / Foto: Robert Rauh

Erlebnis Karwe

Was man in Karwe sehen, erleben und genießen kann …

Lage

Karwe, ein Ortsteil der Kreisstadt Neuruppin, liegt zirka 10 Kilometer südöstlich der Fontanestadt Neuruppin, malerisch gelegen am Ostufer des Ruppiner Sees.

Karwe am Ruppiner See, 2019 / Foto: Robert Rauh

Sehenswürdigkeiten

Sehenswert ist die Kirche, die im Spätmittelalter aus Feldsteinen erbaut und mit einem achteckigen Spitzturm auf der Westseite versehen wurde. Auf dem Kirchhof befindet sich die Grabstätte von dem Knesebeck, wo 2020 auch Krafft Freiherr von dem Knesebeck beigesetzt wurde.

Vor dem imposanten Kirchhof-Portal und in der Kirche weisen kleine Info-Tafeln mit Skizzen aus Fontanes Notizbuch auf die Exponate hin, die in den Wanderungen beschrieben wurden.

Kirchhof-Portal und Kirchturm in Karwe / Foto: Günter Rieger

 

Bis auf das (1983 abgerissene) Schloss ist das gesamte ehemalige Gut Knesebeck rekonstruiert und für Interessierte beschildert worden. Im ehemaligen Pferdestall, Wohnsitz der Familie von dem Knesebeck, existiert eine Galerie, die zurzeit auf eine Wiederbelebung wartet.

Rekultiviert wurde auch der alte Karwer Gutspark, der sich in einem sanften Bogen auf einer Länge von knapp einem Kilometer und einer maximalen Breite von ca. 250 Metern an das Ostufer des Ruppiner Sees schmiegt.

Parkverein Karwe

 Gastronomie

Noch ein Ruppiner Geheimtipp: Das 2021 vom Ehepaar Walk/Müller komplett sanierte Restaurant, das als „Landhaus Kastanie“ – jetzt mit Saal, Bar, gemütlicher Biergarten und vier Ferienwohnungen – diese Gast-Stätte auf ein völlig neues Niveau gehoben hat. Unbedingt probieren: Der frisch aus dem Ofen kommende Flammkuchen. Direkt an der Dorfstraße, mit Parkplatz: Lange Straße 22.

Landhaus Kastanie

Literatur

  • Karwe; in: Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band 1. Die Grafschaft Ruppin, hrsg. von Gotthard Erler und Rudolf Mingau, Große Brandenburger Ausgabe, Aufbau-Verlag, Berlin 1994, S. 24-39.
  • Gabriele Radecke, Krafft Freiherr von dem Knesebeck, Günter Rieger: Fontane trifft Knesebeck. Eine Entdeckungsreise nach Karwe, Edition Rieger, Karwe 2019.
  • Karwe; in: Robert Rauh: Fontanes Ruppiner Land, Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg, BeBra Verlag, Berlin 2019, S. 35-56.

Weblinks

Titelbild:

Ruppiner See bei Karwe, 2018

Foto: Robert Rauh