Fontanes Paretz

Lage Stadt Ketzin/Havel, Landkreis Havelland
Erster Besuch Fontanes Ostern 1861
Aufzeichnungen im Notizbuch

A17 [7./8. August 1869]

A15 [vermutlich Mitte August 1869]

Erstdruck in einem Journal „Über Land und Meer“, Bd. 26, Jg. 13 [August 1871]
Erstveröffentlichung in den „Wanderungen“ „Ost-Havelland“, 1. Auflage 1873

Paretz ist kein Sehnsuchtspunkt mehr, nur noch ein Punkt für Erinnerung und stille Betrachtung: Schloss in Paretz, Postkarte um 1920
Quelle: Archiv Rauh

Was Fontane in „Havelland“ über Paretz schrieb …

Fontanes Interesse an Paretz reicht in die Anfangsjahre seiner „Wanderungen“-Zeit zurück. Mindestens fünf Mal hat er den Ort besucht; von zwei Aufenthalten sind Reisenotizen überliefert. Der erste nachweisbare Besuch erfolgte über Ostern 1861, also kurz bevor der erste, noch nicht regional eingegrenzte „Wanderungen“-Band erschien. Weil dessen Druck bereits für den Sommer 1861 terminiert war, ist nicht davon auszugehen, dass Fontane plante, Paretz hier noch aufzunehmen. Geografisch korrekt gelangte der Ort erst in den dritten „Wanderungen“-Band, der 1873 erschien und zunächst den Titel „Ost-Havelland“ erhielt.

Im Vergleich zu Fontanes Ausflug im Frühjahr 1861, von dem weder Kontakte vor Ort noch Reisenotizen überliefert sind, lässt sich ein weiterer Aufenthalt in Paretz, acht Jahre später, genauer rekonstruieren. Der Besuch am 7./8. August 1869 ist in den Notizbüchern dokumentiert und diente vermutlich als Inspiration für das Paretz-Kapitel in den „Wanderungen“.

Fontane gliederte sein „Paretz“-Kapitel in zwei Teile. Zunächst ein historischer Abriss über die Zeit, in der Paretz Friedrich Wilhelm III. und Luise von Preußen als Sommersitz diente, also von 1796, als der Kronprinz das Gut kaufte [korrekt: 1797], bis zur Zeit nach dem Tod des Königs (1840), als Paretz kein Sehnsuchtspunkt mehr [war], nur noch ein Punkt für Erinnerung und stille Betrachtung.

Grundriss von Schloss Paretz: Fontanes Skizze, Notizbuch A15 [vermutlich Mitte August 1869]Quelle: Digitale Notizbuchedition

Im zweiten Teil lädt Fontane zu einem Rundgang durch das historische Dorfensemble ein: Schloss, Kirche, „Tempel“ [korrekt: Grottenberg] sowie „toter Kirchhof“. Gewohnt detailliert – und kritisch, wenn etwas seinem Kunstsinn nicht entsprach. So sei Schadows „Apotheose der Königin Luise“ im „Königsstuhl“ der Kirche mehr eigentümlich als schön. Schadow, sonst von so gutem Geschmack, vergriff sich in diesem Fall. Das harsche Urteil lässt sich vor Ort überprüfen.

Das Kirchlein steche jedenfalls sehr vorteilhaft von dem gegenüberliegenden Schlossbau ab: Kirche in Paretz, 2022
Foto: Robert Rauh

Paretz 2.0

Was Sie in „Fontanes Havelland“ [2023] über Paretz erwartet … 

Ob über Paretz ein heftiges Gewitter niederging, nachdem der Wanderer den Ort erreicht hatte, kann nicht mehr überprüft werden. Das Unwetter dient in den „Wanderungen“ als poetische Überleitung für seine – angeblich spontane – Übernachtung beim Königlichen Hofgärtner Sulpiz Wilken. Tatsächlich war Fontanes Besuch angemeldet – wie ein bisher nicht veröffentlichter Brief des Hofgärtners belegt. Wir erzählen nicht nur vom Besuch Fontanes bei Wilken, sondern beschreiben auch, wo genau Fontane übernachtete.

Dass Fontane in Paretz ein Experte zur Verfügung stand, der ihn mit Informationen und einer exklusiven Führung versorgte, war ein Glücksumstand – und nicht die Regel. Es ist ein Umstand, der in Paretz eine Tradition entwickelt hat. Auch 150 Jahre später profitieren wir von der Expertise des besten Paretz-Kenners der Gegenwart: Matthias Marr, ehemaliger Kastellan, der als „Retter von Schloss Paretz“ gilt. Und dieser wiederum geriet vierzig Jahre zuvor auch an einen Experten – in einer Zeit, in der das Schloss kein Schloss sein durfte.

Im Mittelpunkt unseres „Paretz“-Kapitels steht natürlich auch die „Königin der Herzen“. Anhand von Luises‘ Briefen belegen wir, dass der Ort für sie nicht nur Familienglück und Stille bedeutete. Und wir fragen, wie Fontane in seinen „Wanderungen“ mit dem Luisen-Kult – nicht nur in Paretz – umgegangen ist. Schließlich verstand sich der Schriftsteller einerseits durchaus als Kulturhistoriker und strickte andererseits an preußischen Legenden wie über den alten Fritz eifrig mit.

Auch in Paretz begeben wir uns auf Spurensuche im märkischen Sand. Entdeckt werden sollen Reste eines Turms, der für Brandenburger Verhältnisse exotisch war. Das Königspaar ließ sich einige Kilometer außerhalb von Paretz – auf einem Berg – einen Aussichtsturm im Stil einer gotischen Ruine errichten: das „Belvedere“. Fontane war dort und hielt in seinem Notizbuch fest, was er für die einzige Sehenswürdigkeit dieses Orts hielt – und was sonst niemand überlieferte: 30 Theaterzettel aus allen Ländern Europas, die, bis zu erheblicher Höhe, die Wände bedeckenein Curiosum.

Luises Familie in Paretz: 10. Geburtstag des Kronprinzen (Oktober 1805), Gemälde von Heinrich Anton Dähling mit dem Titel „Friedrich Wilhelm III. und seine Familie“, 1806
Quelle: SPSG

Kurioserweise verschwand der Turm aus Fontanes „Wanderungen“. In den folgenden Auflagen des „Havelland“-Bandes nahm er den kurzen Text über das Belvedere nicht mehr auf. Vermutlich hat Fontane es vorausgesehen: Der Turm existiert nicht mehr. Aber der Berg – und vermutlich Reste 😉

Eine Viertelmeile von Paretz entfernt: das „Belvedere“, Foto, um 1910
Quelle: Helmut Augustiniak / MAZ

Erlebnis Paretz

Was man in Paretz sehen, erleben und genießen kann …

Lage

Paretz liegt nordwestlich von Potsdam und ist von Berlin über die A10 zu erreichen. Das Dorf, malerisch an den Havelwiesen gelegen, gehört zur Stadt Ketzin (Landkreis Havelland).

Sehenswürdigkeiten

Der Ort ist ein einziges Freilichtmuseum: Zu bewundern gilt es preußische Baukunst um 1800, die in den letzten Jahrzehnten schrittweise restauriert wurde: das Schloss (Ausstattung wie zu Luises Zeiten), die Kirche (offen, mit Schadows verunglückter „Apotheose der Königin Luise“), die Remise (Ausstellung über Kutschen), Grottenberg (dem irgendwann auch wieder der japanische Tempel aufgesetzt werden soll) sowie der Alte Gasthof („Landhaus Luise“), in dem Fontane übernachtete. Alles wunderbar ausgeschildert – versehen mit Informationen, die einen nicht erschlagen.

Infos über Schlossmuseum und Veranstaltungen im Museumshop:

https://www.spsg.de/schloesser-gaerten/objekt/schloss-park-paretz/

Professionelle und äußerst informative Website des Fördervereins Historisches Paretz e.V.:

https://www.paretz-verein.de/

Gastronomie

Das „Gotische Haus“ (einst die königliche Schmiede) bietet auch einen Biergarten, einen Fahrradparkplatz und einen Kinderspielplatz. Essen eher was für Brandenburger Mägen: Riesen-Eisbein, Roulade und Rehbraten.

https://www.gotisches-haus-paretz-online.de/

Interview mit dem „Retter von Paretz“ Matthias Marr am 7. März 2022 in Schloss Paretz.
Foto: Robert Rauh