Fontanes Gottberg
Lage |
Ortsteil der Gemeinde Märkisch Linden Landkreis Ostprignitz-Ruppin |
Erster Besuch Fontanes | vermutlich kein Besuch |
Aufzeichnungen im Notizbuch | keine überliefert |
Erstdruck in einem Journal | / |
Erstveröffentlichung in den „Wanderungen“ | „Grafschaft Ruppin“, 3. Auflage 1875 |
Als wäre die Zeit stehen geblieben. „Nur“ der Gasthof existiert nicht mehr: Gottberg, Postkarte um 1920
Quelle: Archiv Rauh
Was Fontane in „Havelland“ über Paretz schrieb …
Fontane hatte Gottberg, das heute zur Gemeinde Märkisch-Linden im Landkreis Ostprignitz-Ruppin gehört, für die 3. Auflage des ersten Wanderungen-Bandes von 1875 vorgesehen. Im Fokus standen von Anfang an die beiden kulturhistorisch bedeutsamen Kirchenbücher, deren Eintragungen im Jahr 1587 bzw. 1588 beginnen. Offenbar blieb eine Kontaktaufnahme vor Ort zunächst erfolglos, sodass Fontane keinen Sinn darin sah, während seiner Ruppin-Reise im September 1873 spontan beim Gottberger Pfarrer zu klingeln. Und als er später die Vortragskonzeption über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges in der Mark sowie die Abschrift aus dem Gottberger Kirchenbuch erhalten hatte, musste er auch nicht mehr nach Gottberg.
Über 400 Jahre alt: Gottberger Kirchenbuch von 1588, aufgeschlagen ist die Doppelseite mit dem Eintrag für das Jahr 1638
Foto: Robert Rauh
So ist auch zu erklären, dass der Leser in dem Kapitel eine Beschreibung des Ortes vergeblich sucht. Fontane gewährt dem Dorf nur seinen stereotypen Einleitungssatz: Eine Meile östlich von Ganzer liegt Gottberg. Nicht einmal die imposante Feldsteinkirche wird erwähnt – immerhin der Ort der Kirchenbücher. Bereits im ersten Absatz informiert er den Leser, wozu Gottberg herhalten sollte – als Zugang für die Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges, in der Gottberg ein Quitzowsches Gut war. Nur dieser Zeitabschnitt interessiert uns hier, denn ihm gehören die Gottberger Kirchenbücher an, die, durch die handschriftlichen Aufzeichnungen aus eben dieser Kriegsepoche, eine gewisse Zelebrität [Berühmtheit] erlangt haben.
Diese Konzeption erinnert an ein Buch, das Fontane 25 Jahre später veröffentlichen wird – und in dem sich Fontane als Historiker versucht. In Fünf Schlösser (1889) dienen die scheinbar wahllos ausgewählten Herrensitze als topografischer Zugriff für seine Geschichte der Mark Brandenburg.
Gottberg gab den Anlass für ein Gesamtbild der damaligen Lage für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Ein schriftliches Zeugnis für die Folgen der durch vier Wochen hin systematisch betriebene[n] Verwüstung des ruppinischen Landes sind die Gottberger Kirchenbücher, die bereits Ende des 16. Jahrhunderts angelegt wurden. Es verwundert, dass Fontane nicht danach fragt, wie die beiden Kirchenbücher die Verwüstung und die Plünderung überstanden haben …
Gottberg
Was Sie in „Fontanes Ruppiner Land“ über Gottberg erwartet …
Wo die Gottberger Kirchenbücher die Wirren des Dreißigjährigen Krieges „überlebten“ und welche Hürden ich überwinden musste, um sie für die Recherche einzusehen, wird in dem Kapitel über Gottberg erzählt. In dem Ort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Er wirkt ziemlich trostlos und verlassen. Immerhin käme man auch ohne Auto hier weg. Vor der Fachwerkruine steht ein gläsernes Haltestellenhäuschen. Wann ein Bus kommt, wissen die Götter. Der Bahnverkehr wurde 2006 eingestellt. Wenig einladend wirkt auch die viel zu große Schneise, die das aufgeräumte Straßendorf in der Mitte durchzieht. Die rund zweihundert Einwohner seien „ein Völkchen für sich“ – und mehrheitlich zerstritten, höre ich später im Dorf. Nicht nur einmal.
Aber das ist nur der erste Eindruck. In Gottberg gibt es einige Bewohner, die sich für die Geschichte ihres Dorfes interessieren und für ein lebendiges Gemeindeleben engagieren. Bernd Rhinow, der ehemalige Ortsvorsteher, dessen Familie sich in Gottberg bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, versorgt mich mit Informationen, und das Ehepaar Pein, das sich im Gemeindekirchenrat für die schrittweise (und mühsame) Restaurierung der Kirche einsetzt, führt mich exklusiv durch „ihre“ Kirche. Sie überrascht mit Farbenfreude, die genauso erfrischend ist wie die Lache von Monika Pein.
Überrascht mit Farbenfreude: Die Kirche in Gottberg, 2018
Foto: Robert Rauh
Und ihr Mann Gert-Ulrich, dem im Dorf alle Uli nennen, klettert mit mir auf den Turm. Um die Kirchenuhr am Laufen zu halten, steigt Uli jede Woche die 75 Stufen hinauf, vorbei an zwei Gewichten, die an Drahtseilen im Turmhaus hängen. Wenn der gelernte Schlosser die Uhr per Hand mit einer Kurbel aufzieht, läuft sie eine Woche. Das Laufwerk ist ein Zahnradgetriebe – und wirkt ziemlich museal. Aber es funktioniert. Wenigstens muss Uli nicht noch die Glocken in Gang setzen. Sie läuten elektrisch.
Was es in der imposanten Kirche noch zu sehen gibt, besichtigt man am besten vor Ort oder liest man im Buch „Fontanes Ruppiner Land“. Als wir die Kirche verlassen, berichte ich den Peins von meiner Vermutung, dass Fontane nicht in Gottberg war. Das Ehepaar reagiert kurz und pragmatisch. Uli meint: „Können wir jetzt auch nicht mehr ändern.“ Und seine Frau Monika ergänzt lachend: „Dann hat er was verpasst.“
Lässt sich hochziehen: Der schwebende Taufengel von Gottberg, 2018
Foto: Robert Rauh
Erlebnis Gottberg
Was man in Gottberg sehen, erleben und genießen kann …
Lage
Gottberg, ein Ortsteil der Gemeinde Märkisch-Linden, liegt westlich von Neuruppin, direkt an der Kreisstraße 6806, die südlich direkt zur Bundesstraße 167 führt.
Sehenswürdigkeiten
Der Ort ist klassisches Straßenangerdorf. Sehenswert ist die Kirche, ein imposanter, frühgotischer Feldsteinbau aus dem 13. Jahrhundert. Wenn die Kirche offen ist, dann unbedingt hinein. Und mit Uli Pein (wohnt gegenüber) auf den Turm.
Gastronomie
Leider Fehlanzeige. Es würde auch die Aussicht fehlen. Dafür frische Milch vom Bauern – direkt an der Dorfstraße.
Lässt sich aufziehen: Das Zahnradgetriebe für die Uhr im Kirchenturm, 2018
Foto: Robert Rauh
Titelbild:
Kirche in Gottberg, 2018
Foto: Jonas Becker