Fontane kann auch spukig

Von Gabriele Radecke und Robert Rauh.

Fontanes Beitrag über Kampehl kennt nur ein Thema: die Leiche eines Adligen, die „völlig mumifiziert“ in einer alten, „ziemlich wüsten Gruftkammer ruht“.

Die Mumie kann seit über 300 Jahren in Kampehl, einem Ortsteil von Neustadt (Dosse), besichtigt werden: Nur über der Hüfte mit einem weißen Tuch bedeckt, liegt der nackte, 1,70 Meter große Körper aus ledernder Haut in einem Holzsarg. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man auf dem kahlen Schädel noch ein paar Härchen.

Bei der Mumie handelt es sich um Christian Friedrich von Kahlbutz (1651–1702), der laut Kirchenbuch „Kalebuz“ geschrieben wird und aufgrund seiner Verdienste in der Schlacht bei Fehrbellin 1675 vom Großen Kurfürsten das Gut Kampehl erhalten hatte. Kahlbutz wurde in der Gruft beigesetzt. Als er 1794 erdbestattet werden sollte, entdeckte man, dass seine Leiche nicht verwest war.

Seitdem bediene Kahlbutz „das Spuk- und Sagenbedürfnis des Volks in dortiger Gegend mit besonderer Vorliebe“, behauptet Fontane in seinem kurzen Abschnitt über Kampehl (er schreibt „Campehl“) im Kapitel „Dörfer und Flecken im Lande Ruppin“, das er bei der Überarbeitung des ersten „Wanderungen“-Bandes 1865 aufnahm.

Einige Spukgeschichten gibt der Dichter zum Besten. Der „Herr von Kahlebutz“ springe „den Leuten auf den Rücken und wird immer schwerer, je mehr sie sich mühen, ihn abzuschütteln“.

Die entscheidende Geschichte fehlt jedoch. Es heißt, schreibt Fontane, Kahlebutz verwese nicht, weil er seinen Schäfer erschlagen habe. Dann bekennt er freimütig: „Ich weiß nicht, was es damit auf sich hat.“ Da Kampehl zehn Jahre später bei einer erneuten Überarbeitung der „Wanderungen“ ersatzlos gestrichen wurde, blieb Fontane seinen Lesern eine Antwort schuldig.

Hinweis auf die „Kalebuz-Gruft“ in der Kirche von Kampehl, 2019

In der Gruft wird der Besucher heute aufgeklärt: 1690 wurde Kahlbutz von der Magd Maria Leppin des Mordes an ihrem Verlobten, dem Schäfer Pickert, bezichtigt. Er habe aus Rache gehandelt, da Maria dem Gutsbesitzer „das Recht der ersten Nacht“ verweigert hatte.

Kahlbutz wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Wenn er doch der Mörder gewesen sei, soll er vor Gericht kundgetan haben, dann solle Gott machen, dass sein Leichnam nicht verwese.

Statt dieser Erzählung berichtet Fontane vom weiteren Schicksal der Mumie. „Übermütige Franzosen“ hätten die Leiche 1806/07 aus der Gruft geholt und „als Gekreuzigten auf den Altar“ gestellt.

Als einer der „Übeltäter“ die linke Hand festnageln wollte, „fiel der erhobene Mumienarm zurück und gab dem unten stehenden Franzosen einen Backenstreich“. Daraufhin fiel er tot um.

Kirche mit Gruft in Kampehl, 2019

Zu der „Geschichte mit dem Franzosen“ findet sich ein fünfzeiliger Hinweis in einem Notizbuch Fontanes. Allerdings ist fraglich, ob der Wanderer jemals vor Ort war. Von seiner „Sommerreise durchs Ruppinsche“ 1864 existieren keine Reisenotizen über Kampehl. Auch in den gedruckten „Wanderungen“ wird die Mumie nicht beschrieben.

Ungeklärt bleibt wohl auch, warum die Leiche nicht verwest. Weder die berühmten Mediziner Virchow (1895) und Sauerbruch (1930) noch eine Charité-Kommission (1983) konnten das biologische Rätsel lösen.

Ungeachtet dessen geht der Kunsthistoriker Andreas Ströbl davon aus, dass die Leiche „eine ganz normale Trockenmumie“ sei, die in einer Umgebung mit geringer Luftfeuchtigkeit entstehe. Davon gäbe es in Europa Tausende.

Die Kampehler gehen davon aus, dass ihre Mumie die berühmteste ist. Zehntausend Besucher im Jahr und aus der ganzen Welt scheinen ihnen Recht zu geben.

Quelle:

Märkische Allgemeine Zeitung vom 5.5.2019; https://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Neustadt/Fontanes-vergessene-Orte-Kampehl-wo-Ritter-Kahlbutz-spukt

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